Es ist schwer über ein Erlebnis zu
schreiben, das man nicht in Worte fassen kann. Ein Erlebnis, das mich und mein
Leben bedeutend verändert hat.
Es fing alles mit
dem Fremdsprachenwettbewerb an, bei dem ich mich mit meinen Spanischkenntnissen
qualifizieren konnte und letztendlich von Herrn Sicking, dem Leiter des
Bundeswettbewerbs, der Spanischen Botschaft vorgeschlagen wurde.
Das war der Anfang
für das bisher größte Abenteuer meines Lebens...die Ruta Quetzal BBVA 2013.
Die Ruta Quetzal
ist eine fünfwöchige Expeditionsreise, die 1979 von Miguel de la
Quadra-Salcedo und unter der
Schirmherrschaft des spanischen Königs Juan Carlos ins Leben gerufen wurde.
Jedes Jahr haben ungefähr 250 Jugendliche aus über 50 Ländern im Alter von 16
bis 17 Jahren die Möglichkeit eine unvergessliche Reise, vereint aus Bildung,
Kultur und Abenteuer, zu erleben.
Dieses Jahr ging diese unvergessliche Reise durch Panama, Spanien,
Belgien und Frankreich auf den Spuren des Spaniers Vasco Núñez de Balboa, der
vor 500 Jahren (1513) den Pazifischen Ozean entdeckte und Karl des V., der 1516
spanischer König wurde.
Für mich begann die Expedition am 19. Juni 2013, als ich in Berlin in
den Flieger Richtung Madrid einstieg. Angekommen in der Universidad Francisco
de Vitoria knüpfte ich auch schon die ersten Kontakte mit einigen Ruteros, mit
den Leuten, mit denen ich die nächsten 5 Wochen 24 Stunden am Tag verbringen
sollte.
An demselben Abend wurde mir bewusst, wie ein Teil des Lebens eines
Ruteros aussieht: zur Gruppe 1 gehören (insgesamt 12 Gruppen à 20 Ruteros),
Zähne putzen mit Hilfe eines Gartenschlauchs, mit ganz viel Stress und Hektik
die Rücksäcke nochmal umpacken und dann übermüdet ins Bett – besser gesagt auf
die Isomatte - fallen.
Am nächsten Morgen ging es gleich weiter mit den ungewöhnlichen
Umständen, wie z.B. die "Dusche" im Freien um 5 Uhr in der
Morgendämmerung...mit eiskaltem Wasser.
Später ging es dann zum Flughafen und die Reise in ein mir unbekanntes
Land begann.Die meisten Menschen assoziieren mit Panama automatisch oft nur den Panamakanal, der durch das Verbinden von Atlantik und Pazifik die Welt ein wenig schrumpfen lässt.
Ich allerdings durfte nicht nur den Kanal, sondern die unvorstellbare Vielfalt dieses kleinen, aber wunderschönen Landes kennenlernen.
Nach dem elfstündigen Flug mit insgesamt einer halben Stunde Schlaf
und nach Verlassen des klimatisierten Flughafengebäudes wurde ich in den ersten
Schockzustand versetzt, als ich mich plötzlich wie in einer Sauna mit über 100%
Luftfeuchtigkeit fühlte.
Die folgenden 6
Tage verbrachten wir im tropischen Regenwald, der „Selva del Darién“. Wir
durften dreimal fast 10 Stunden durch Schlamm, Regen und Flüsse wandern, haben
dabei Tiere aller Art gesehen (und gehört) und sind dann völlig erschöpft, aber
doch mit ganz viel „innerer Energie“ und neuen Freunden an unseren Zielen
angekommen.
Außerdem wurden wir
von zwei indigenen Dorfgemeinschaften herzlich empfangen und durften ein paar
Tage bei ihnen und mit ihnen leben. Sie führten Tänze vor, bemalten uns mit
dunkelblauer Farbe (gewonnen aus einer Pflanze), badeten mit uns in ihrem
Fluss, ließen uns bei sich zu Hause typisch panamaisches Essen verzehren,
zeigten uns wie sie anscheinend Krebs „heilen“ können, nahmen uns auf ihre
Fischjagd mit und sogar ein Fußballspiel (Comunidad de Sinaí - Ruta Quetzal)
ließ sich organisieren.
Die 6 Tage gewährten uns einen Einblick in ein Leben ohne fließend
Wasser, ohne selbstverständlichen Schulbesuch, ohne Existenzsicherung, und doch
mit so viel Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Lebensfreude.
Wir reisten noch weiter in der Provinz Darién umher und der Höhepunkt
war die Besteigung des Berges Pechito Parado, von wo aus Vasco Núñez de Balboa
1513 den Pazifischen Ozean entdeckt hatte. Es war ein unglaubliches Gefühl von
Erfüllung, Zufriedenheit und auch ein bisschen Stolz.
Am 10. Tag ging es
dann ab nach Panama-City! Wie Manhattan, nur in Panama. Wolkenkratzer über
Wolkenkratzer und einer höher als der andere. Eine atemberaubende Skyline von
einer Stadt, die auf den ersten Blick nicht so aussieht, als wäre es die
Hauptstadt eines Entwicklungslandes. 104 Banken, unzählige Büros, mehrstöckige
Einkaufszentren, zahlreiche Unternehmen und einige Hochschulen.
Allerdings erkennt man auch schnell die Schattenseiten…am Fuße der
Hochhäuser liegen die Slums, wo der Teil der Bevölkerung lebt, der nicht vom
Wirtschaftsboom Panamas profitiert.
Wir fuhren nur mit dem Bus an ihnen vorbei, denn unser Ziel war der
"Casco Antiguo" (das historische Viertel), wo wir unter anderem das Museum des
Panamakanals besuchten.
Später sahen wir den Kanal dann auch im Original, sowie die Schleusen
und die Erweiterung. Man konnte sogar einen Container mit der Aufschrift
„Hamburg-Süd“ erkennen und in mir kam ein kurz andauerndes Heimatgefühl hoch.
Ein paar besondere Momente (abgesehen von den oben genannten):
-
sich eine Coca-Cola
in einem „indigenen“ Kiosk zu kaufen und das MITTEN im Urwald
-
Kinder zu sehen,
die keine Nintendos, kein Playmobil und kein Handy besitzen, und trotzdem
glücklich sind
-
sich nach
stundenlangem Wandern bei gefühlten 45°C auf die schönste Art und Weise zu
erfrischen: durch einen tropischen Regen, der einen pure Freude und Freiheit
verspüren ließ
-
neben dem
Karibischen Meer zu schlafen und davor einen unvorstellbaren Sonnenuntergang zu
genießen
-
Busse zu sehen, die
nicht alle identisch aussehen, sondern jeder einzelne kreativ bemalt ist und
seine Geschichten birgt
-
im Klassenzimmer
einer ärmlichen Schule zu übernachten, von wo man einen unbeschreiblichen
Ausblick hatte
-
sich von den
„bomberos“ (Feuerwehrmänner), egal an welchem Ort (direkt vor dem Rathaus,
mitten in Panama-City, etc.) abduschen zu lassen
-
nach 6 Tagen Urwald
einmal in einem Restaurant essen zu gehen und sich noch NIE so über einen
Teller Lasagne, Fisch & Fleisch oder eine Suppe gefreut zu haben.
Nachdem wir das schöne, erlebnisreiche Panama hinter uns ließen,
landeten wir wieder auf spanischem Boden. Am nächsten Tag ging es dann aber
gleich weiter, und zwar ca. 30 Stunden Busfahrt nach Belgien. Wir besuchten die
Städte Brüssel, Gent, Brügge und Antwerpen, in denen wir „Sightseeing-Tours“
machten, das Europäische Parlament, das Außenministerium und das „Instituto
Cervantes“ besichtigten.
Inzwischen kannte man schon den Großteil der Ruteros und hatte
wertvolle Freundschaften geschlossen. Außerdem füllten sich unsere Tagebücher.
Meines, mit selbstgeschriebenen Liedern (von anderen Ruteros), mit mir
gewidmeten Zeilen und Texten in anderen Sprachen (z.B. arabisch). In meinem
Zelt, „Tienda C“, schlief ich neben Catalina aus Madrid und María aus Panama
und so konnte man abends noch die am Tag geschehenen Dinge verarbeiten. Man
glaubt gar nicht was 3 Jugendliche aus drei völlig unterschiedlichen Ländern
mit total verschiedenen Kulturen alles gemeinsam haben.
Auf dem Rückweg von Belgien nach Spanien machten wir am 14.Juli (Nationalfeiertag) einen
Zwischenstopp in Paris, besuchten den
UNESCO-Hauptsitz, aßen unsere belegten Brötchen direkt vor dem Eiffelturm und
alle 225 Ruteros sangen die Ruta-Lieder. Ein einzigartiges Gefühl!
In Spanien angekommen, ging die Reise durch Extremadura und Madrid. Wir lernten ein paar Städte
und Klöster kennen, wie San Martín de Valdeiglesias, Monasterio de El Paular,
Fregenal de la Sierra, Madrigalejo, Monasterio de Yuste und den Geburtstort von
Vasco Núñez de Balboa, Jerez de los Caballeros. Dort durften
wir sogar in einer Stierkampfarena unsere Zelte aufbauen, was ein seltsames,
aber einmaliges Gefühl war.
Nach 35 Tagen, war der Tag gekommen, den keiner erhofft hatte…und zwar
der letzte.
Das letzte Mal wurden wir mit dem Megafon von Jesús Luna (Camping-Chef)
geweckt, das letzte Mal bauten wir unsere Zelte ab, das letzte Mal stopften wir
unsere Rucksäcke voll, das letzte Mal duschten wir uns unter freiem Himmel mit
eiskaltem Wasser, das letzte Mal aßen wir Mittag zusammen, das letzte Mal wurde
ein offizielles Foto von der Presse geschossen, und, und, und…
In der Universidad Complutense de Madrid wurden uns unsere Diplome
übergeben und danach ging es wieder zur Universidad Francisco de Vitoria, wo
die Ruta 5 Wochen zuvor begonnen hatte.
Nach dem letzten Abendessen, sahen wir ein zusammengeschnittenes
Filmchen über dieses große Abenteuer, das wir erlebt hatten. Wir ließen alles
Revue passieren und der Abschied rückte immer näher. In der letzten Nacht wurde
nicht geschlafen, wir feierten durch und um 6:00 Uhr morgens fuhr der erste Bus
(den ich auch nehmen musste) zum Flughafen ab. Der Abschied fiel allen sehr
schwer und es liefen viele Tränen. Der Gedanke, dass man einige (vor allem die
Nicht-Europäer) gar nicht mehr oder erst in sehr langer Zeit wiedersehen würde,
macht es noch schlimmer.
Man hatte so viel miteinander erlebt, gelacht, entdeckt und
überwunden…und das alles: gemeinsam.
Was ich während der Ruta gelernt habe, kann man weder in 3, noch in
100 Seiten niederschreiben. Und was ich erlebt habe, weder in einem, noch in
100 Wörtern erzählen. Nur die Leute, die an dieser Reise teilgenommen haben,
wissen, was dieses Erlebnis bedeutet…das Leben!!!
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