Liebe Gäste,
Wir feiern heute nicht nur die Eröffnung unseres neuen Schulgebäudes und den damit verbundenen Beginn des Ganztagsbetriebes, sondern wir begehen in diesem Jahr auch ein ganz besonderes Jubiläum: das 20jährige Bestehen des bilingualen Zuges.
20 Jahre bilingualer Zug; das klingt zunächst nicht beeindruckend, ist es aber, wenn man die Entwicklung des Schulfaches Spanisch genauer betrachtet.
Uns Beteiligten am Schulleben des FEG - sprich Schülern, Eltern und Lehrern und Mitarbeitern - scheint es ganz normal, dass hier etwa 1000 Schüler bei derzeit 18 Lehrern und 4 Referendaren Spanisch lernen. Wir kennen das nicht anders. Diese Situation ist aber alles andere als normal, denn in vielen Bundesländern ist Spanisch als Unterrichtsfach nur wenig verbreitet. In der dritten Ausgabe 2009 der Zeitschrift Focus Schule kann man im Titel lesen: „Spanisch als zweite Fremdsprache liegt im Trend. Doch wegen Lehrermangels bieten nur wenige Schulen das Wunschfach vieler Schüler an.“ Des Weiteren wird in dem Artikel erwähnt, dass Spanisch boomt und dass sich in den letzten sieben Jahren die Nachfrage nach Spanisch um 150 % gesteigert habe. Bei uns boomt Spanisch bereits seit nahezu 30 Jahren und wir können mit Stolz auf unsere langjährige Tradition des Spanischunterrichts blicken.
Welche Wichtigkeit solch ein spanisches Profil im Einzelfall erlangen kann, möchte ich an einer kleinen Episode verdeutlichen:
Vor mehreren Jahren erhielten wir eine Anfrage von Eltern, die ihren Wohnsitz zu der Zeit noch auf den Kanaren oder Balearen hatten und planten, nach Deutschland zurückzukehren. Sie hatten vom bilingualen Zug des FEG gehört und baten um nähere Informationen über die Schule, um zu prüfen, ob diese Schule die richtige für ihre Kinder sei. Das Besondere an dieser Anfrage: am Ende des Briefes wurde deutlich, dass diese Kinder noch gar nicht geboren waren. nach der Devise: Mensch, da gibt es eine Schule mit einem tollen Konzept; lass uns Kinder bekommen! Ob und wie viele Kinder dieses Paar bekommen hat, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Auf jeden Fall müssen sie von unserem bilingualen Zug recht beeindruckt gewesen sein.
Wie ist es zu der Einrichtung des bilingualen deutsch-spanischen Zuges gekommen?
Ein kurzer Rückblick:
Die Einführung des Faches Spanisch ist untrennbar mit der Person Karin Braun verbunden, die 1975 aus Hamburg nach Berlin ans FEG kam, und hier später stellvertretende Schulleiterin und dann Schulleiterin wurde. Ihr ist es zu verdanken, dass am FEG bereits 1979 die ersten regulären Spanischkurse ab Klasse 9 als dritte Fremdsprache eingeführt wurden. In den Jahren davor wurde Spanisch als AG angeboten. 1986 gelang es Frau Braun und dem damaligen Schulleiter Herrn Schnalke, Spanisch als 2. Fremdsprache ab Klasse 7 einzuführen. Wir waren die erste Schule in Berlin mit diesem Angebot.
Doch das war für Frau Braun noch nicht genug. Sie suchte nach Wegen, das Erlernen der Fremdsprache weiter intensivieren zu können und sah eine Möglichkeit in der Einrichtung eines bilingualen Zuges.
Die Idee der bilingualen Züge ist zu Beginn der 70er Jahren entstanden und mit der Öffnung der europäischen Grenzen immer populärer geworden. Wobei der Begriff bilingual nicht Unterricht für zweisprachige Kinder meint, sondern „Unterricht mit Teilen des Fachunterrichts in der Fremdsprache“ (KMK). Bei uns sind das Geschichte, Erdkunde und Politische Weltkunde in der Oberstufe.
In der Regel handelte und handelt es sich dabei um englische oder französische bilinguale Züge. Spanisch wird nur sehr selten angeboten. In einem Bericht der Kultusministerkonferenz aus dem Jahre 2006 wird von 847 bilingualen Zügen gesprochen; darunter etwa fünf spanisch-deutsche Züge.
1991 konnte dann dieser Traum des bilingualen Zuges am FEG umgesetzt werden: als zweite Schule bundesweit (Das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Köln-Hürth eröffnete seinen bilingualen Zug 1989) führte das FEG einen bilingualen Zug spanisch-deutsch ab Klasse 7 ein.
Doch schon bald stellte sich heraus, dass der Beginn der Fremdsprache in Klasse 7 zu spät war, wenn man die Schüler befähigen wollte, ab Klasse 9 dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache folgen zu können. Frau Braun und Herr Schnalke beschlossen also, sich trotz vielfältiger politischer und bürokratischer Schwierigkeiten, für die Einrichtung einer 5. Klasse stark zu machen. Es war ein harter Kampf, aber er war erfolgreich. 1993 wurden am FEG die ersten Fünftklässler begrüßt und aufgrund der enormen Nachfrage gelang es sogar, bereits ein Jahr später die zweite 5. Klasse zu eröffnen.
Wir sind bis heute die einzige grundständige Schule mit Spanisch ab Klasse 5 in Berlin. Und wenn man etwas weiter über die Grenzen blickt, können wir mit Stolz festhalten, dass wir mit ca. 400 bilingualen Schülern in Deutschland und Europa die Schule mit dem größten spanischen Zug sind und nach unserem letzten Wissensstand sogar weltweit auf Rang drei stehen, nach New York und Miami.
Ich bin immer wieder begeistert, mit welcher Schnelligkeit und Freude unsere jungen Schüler die spanische Sprache aufnehmen und beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit und Sicherheit sie sich am Ende ihrer Schulzeit auf Spanisch auch zu komplexen Sachverhalten äußern können. Das macht einfach Spaß.
Der Weg dahin ist allerdings kein leichter. Er verlangt von allen Beteiligten viel Engagement und Einsatzbereitschaft.
Bevor ich jetzt dazu komme, dieses Engagement zu würdigen, bitte ich die zahlreichen nicht bilingualen Schüler und die Eltern der nicht-bilingualen Schüler um ihr Verständnis, dass heute das bilinguale Profil im Mittelpunkt steht. Ihre Leistungen und ihr Engagement sollen durch das heutige Jubiläum in keinster Weise geschmälert werden.
Zunächst einmal möchte ich auf die Lehrkräfte im bilingualen Zug - allen voran diejenigen, die die Sachfächer unterrichten, eingehen. Ihnen wird sehr viel abverlangt. Einerseits ist es eine sprachliche Herausforderung, denn sie müssen sich zunächst selber in die spanische Fachsprache einarbeiten. Andererseits bedeutet es eine erhebliche zeitliche Mehrbelastung, da es kaum Unterrichtsmaterialien gibt, und es in der Regel Aufgabe der Lehrer ist, diese selber zu erstellen. Des Weiteren fließt auch viel Energie in die Organisation der vielen Austauschfahrten, die wir seit Anbeginn vor allem für die bilingualen, in letzter Zeit aber auch vermehrt für die anderen Klassen anbieten. Allein in diesem Jahr waren es vier Austauschfahrten!
Die Liste der Orte, die wir mit unseren Schülern mittlerweile besucht haben ist lang:
Barcelona, Madrid, Sevilla, Gran Canaria, Tenerifa, Bilbao, Vitoria, Zaragoza, Ejea de los Caballeros im Rahmen eines Comeniusprojekts, welches von der EU gefördert wird, Kuba (Leistungskursfahrt), ... und ich habe bestimmt Städte vergessen.
Das alles ist mit sehr viel Mehraufwand verbunden und verlangt zusätzliches Engagement. Ich finde, wir sollten dem heute einmal besondere Anerkennung zollen.
Aber was sind Lehrer ohne Schüler? Auch den Schülern des bilingualen Zuges wird eine Menge abverlangt. Sie verlassen ihre kuschelige Grundschule zwei Jahre früher und müssen lernen, sich in dieser großen Schule zurechtzufinden und auf einmal die ganz Kleinen zu sein. Darüber hinaus wird die Bereitschaft vorausgesetzt, von Anfang an mehr zu leisten. Die Schüler haben fast durchgängig mindestens eine Stunde mehr Unterricht als ihre Mitschüler und sie müssen sich darauf einlassen, mehr zu lernen. Schließlich geht es nicht nur darum, Fachbegriffe und Sachverhalte in der Muttersprache sondern auch in der Fremdsprache zu erfassen und zu erlernen. Die Anforderungen an die Schüler sind sehr hoch, aber wie wir gesehen haben, kann sich das Ergebnis sehen lassen. Ohne diese Leistungsbereitschaft könnte der bilinguale Unterricht nicht funktionieren und ich finde, dass auch das unseren Respekt und unsere Würdigung verdient.
Danken möchte ich aber auch den Eltern unserer bilingualen Schüler und Schülerinnen. Sie sind es ja in der Regel, die entscheiden ihre Kinder zu uns zu schicken, ohne zu wissen, ob das auch wirklich die richtige Entscheidung ist und ob ihr Kind mit dieser sprachlichen Schwerpunktsetzung glücklich wird. Sie wagen etwas und sie sind bereit, sich und ihren Kindern zum Teil weitere Wege und mehr Arbeit zuzumuten. Vielen Dank, dass Sie uns ihre Kinder anvertrauen.
Ein ganz besonderer Dank geht an die Erziehungsabteilung der Spanischen Botschaft, und ich freue mich, dass Frau Fernández Salaguero-García, die Botschaftsrätin für Bildung und Herr Fernández, der als externes Mitglied unserer Schulkonferenz fungiert, heute hier sind, um dieses Jubiläum mit uns zu feiern. Die spanische Erziehungsabteilung hat uns von Anfang an bei unserer Arbeit unterstützt. So wurde z. B. die erste Bibliothek der Erziehungsabteilung für Spanischlehrer in Berlin in Räumen unserer Schule eingerichtet. Spanien stellte uns eine Lehrkraft zur Seite, die diese Bibliothek verwaltete und uns bei unserer Arbeit unterstützte. Als dann die Botschaft im Tiergarten eröffnet wurde, überließ man uns netterweise große Teile des Bibliothekbestandes.
Später wurde ein Kooperationsvertrag mit dem Senat von Berlin geschlossen, der es ermöglichte, dass wir inzwischen regelmäßig in den Genuss der Unterstützung durch eine spanische Lehrkraft kommen, die den deutschen Lehrern gleichgestellt ist und in erster Linie Unterricht in den Sachfächern durchführt.
Wir hoffen, dass diese bereichernde Zusammenarbeit noch lange weiter geführt werden kann und möchten uns für die Unterstützung ganz herzlich bedanken.
Schließen möchte ich mit einem Wunsch: möge uns dieser bilinguale Zug noch lange erhalten bleiben, damit wir auch nachfolgenden Schülergenerationen ermöglichen können, so intensiv Spanisch zu lernen und uns und andere damit zu beeindrucken.
Vielen Dank für die Geduld beim Zuhören.
Claudia v. Strünck (Spanischlehrerin)
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